Was macht einen Standard aus?

In meinen bisherigen Artikeln ist oft der Begriff „Standard“ gefallen. Standards werden oft bemüht, wenn es darum geht den Wildwuchs in Form von historisch gewachsenen Insellösungen, kundenindividuellen Sonderfunktionen und/oder projektspezifischen Schnittstellen Herr zu werden. Daher möchte ich mich heute damit beschäftigen, was einen Standard ausmacht.

Für eine erste Annährung an den Begriff bietet sich ja gerne ein Blick in die Wikipedia an, dort wird „Standard wie folgt definiert: 

Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist angewandte (oder zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas zu beschreiben, herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat oder zumindest als Richtschnur gilt. 

Aus < https://de.wikipedia.org/wiki/Standard>

Abgegrenzt werden muss „Standard“ damit vor allen von der „Norm“. Denn bei Normen handelt es sich um „anerkannte und durch ein Normungsverfahren beschlossene, allgemeingültige sowie veröffentlichte Regel zur Regelung eines Sachverhaltes“ (Quelle: Wikipedia Standard). Bei einer Norm werden also immer alle Instanzen eines definierten Normungsverfahrens durchlaufen, bevor diese Norm anerkannt, beschlossen und veröffentlicht wird. Normen sind damit technisch ausgereift und der Nutzen für die Anwender ist offenkundig. Standards hingegen können zwar in einem formalisierten Verfahren oder Regelwerk erarbeitet werden, sie können aber genauso gut unstrukturiert entstehen oder sich sogar ungeplant ergeben.

Im technischen Kontext werden die folgenden Ausprägungen von Standards unterschieden:

  • Herstellerspezifische Standards
  • Industriestandards
  • Offene Standards

Ein herstellerspezifischer Standard wird, wie es der Name schon sagt, von einem Unternehmen für sich und seine Kunden definiert. Ziel ist es dabei, eine gewisse Kontinuität z.B. über verschiedene Versionen oder Varianten eines Produktes in seinem Lebenszyklus sicherzustellen. Als Beispiele aus unserem Alltag seien hier genannt der SDS-Bohrerschaft der Firma Bosch, die Dateiformate der Mircosoft Office Familie oder auch das Portable Document Format (PDF) von Adobe. Je besser die Marktdurchdringung dieser Produkte ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Standards auch von anderen Unternehmen unterstützt werden.

Sobald sich mehrere Marktteilnehmer (Anbieter und Nutzer) zusammensetzen und gemeinsamen einen Standard definieren um gemeinsam und mit einer pragmatischen Zielsetzung ein Regelwerk zu erstellen, spricht man dabei von einem Industriestandard. So hat Adobe zum Beispiel das seit 1993 entwickelte und verwendete PDF-Format im Jahre 2006 in die PDF Association überführt, in der sich eine große Anzahl an Mitglieder seit dem mit der Standardisierung des PDF-Formates beschäftigt.

Ein Beispiel aus der Brau- und Getränkebranche sind die Weihenstephaner Standards. Diese werden unter der Federführung der TU-München/Weihenstephan unabhängig und vorwettbewerblich in einem Industrieanwenderkreis diskutiert und beschlossen. Die Ursprünge lagen Anfang der 2000er Jahre in der Definition einer Kommunikationsschnittstelle zur standardisierten Übertragung von Maschinendaten im Abfüll- und Verpackungsbereich zwischen Maschinen und übergeordneten IT-Systemen. Mittlerweile decken die Weihenstephaner Standards (WS) diverse Domänen (WS Pack, WS Food, WS Brew, WS Bake, WS Sweets) ab und haben damit auch das Spektrum erweitert, z.B. auf Prozessdaten.  Sie umfassen für die verschiedenen Domänen neben den Datenpunkten auch MES-Funktionalitäten und bilden damit eine Grundlage für Funktionale Ausschreibungen an IT-Systeme.

Mittlerweile bauen die Weihenstephaner Standards für die Kommunikation voll auf dem OPC-UA-Standard auf. Damit sollen die Anforderungen an eine moderne IoT-Umgebung erfüllt werden, vor allen da es sich beim OPC-UA Standard um einen offenen Standard handelt, der von der OPC Foundation gepflegt und weiterentwickelt wird. „Offene Standards sind Standards, die für alle Marktteilnehmer besonders leicht zugänglich, weiterentwickelbar und einsetzbar sind. Jeder Standard muss einigermaßen offen sein, um überhaupt als Standard funktionieren zu können. Insofern könnte man das Attribut offen für redundant halten. Es besteht jedoch häufig ein regulatorisches Interesse daran, besondere Offenheitsanforderungen zu definieren, die ein förderungswürdiger Standard erfüllen soll, und dementsprechend nur solche Standards als offen zu bezeichnen, die diese Anforderungen erfüllen.“ < https://de.wikipedia.org/wiki/Offener_Standard>

Damit soll erreicht werden, dass speziell im Fall von OPC-UA ein sicherer, plattform-unabhängiger, skalierbarer, Hersteller-interoperabler, objektorientierter Standard mit einer umfassenden Informatiosnmodellierung gegeben ist.

Entsprechend der Vorgaben der OPC Foundations wurden die Ausprägungen der Weihenstephaner Standards in einer eigenen Companion Specification (CS) definiert und von der OPC Foundation begutachtet und freigegeben.

Die Companion Specification OPC UA for Weihenstephan Standards (40600) finden Sie  hier (https://reference.opcfoundation.org/v104/Weihenstephan/v100/docs/#4.1.5). Die CS ist auch als VDMA Einheitsblatt 40600  hier (https://www.vdma.org/viewer/-/v2article/render/4775357) verfügbar.

Im Rahmen eines Schichtenmodells ist es dabei gelungen die bisherigen Domänen mit über 150 verschieden Maschinenprofilen zu integrieren und gleichzeitig die Komplexität zu reduzieren. Details dazu finden sich auf der Homepage der Weihenstephaner Standards.