ERP Hersteller legen den Wert darauf, dass im Kern ihrer Software möglichst viele Prozesse für die Unterstützung eines Betriebes vorhanden sind. Um einen möglichst hohen Marktanteil zu erhalten, wird dabei der Fokus auf die Technologie und den abstrakten Geschäftsprozess gelegt, so dass sich das Kernprodukt in möglichst vielen Branchen verkaufen lässt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es viele kleine und mittelständische Implementierungspartner im Markt gibt, die sich auf einen bestimmten Teil der Technologie spezialisiert haben und somit bei der Vergabe von Projekten durch spezielles Wissen in einem Bereich punkten können. Damit der Kunde was zum „Anfassen“ hat, versuchen die Partner des Toolherstellers in der Regel Add-Ons zum Standard zu entwickeln. Da das Add-On jedoch lediglich die notwendigen Bereiche des Standards ergänzt und dabei die Anforderungen der Branche und die Individualität des Kunden berücksichtigen muss, geraten viele dieser Lösungen an ihre Grenzen. Denn eine Komponente des o.g. Mix fehlt meistens. Wenn der Partner das Tool beherrscht, dann fehlt ihm in der Regel die Kompetenz für die Branche oder umgekehrt. Gemeinhin haben alle Add-Ons, dass eine hohe Abdeckung der kundenindividuellen Anforderungen das hehre Ziel ist.
Mindestens ein namhafter Hersteller von ERP Systemen probiert seinen Standard durch Modellbetriebe bestimmter Branchen zu ergänzen. Diese Modellbetriebe bieten dem Kunden eine Ready-To-Use Lösung, die jedoch am Reißbrett entworfen wurde und sicherlich auf einem Abstraktionslevel ist, dass keinen Kunden glücklich macht. Im Weiteren sind laufende Anforderungen aus dem Tagesgeschäft in der Software abzubilden, teilweise durch Wünsche von Mitarbeitern, teilweise durch Kundenanforderungen oder auch ganz banal durch sich ändernde Gesetzeslagen. Daher wird es in der Zukunft weiterhin enormen Anpassungsbedarf geben, um kundenindividuelle Wünsche zu berücksichtigen. Dies wird der Softwarehersteller nicht leisten können oder wollen.
Wie schaut es zum Beispiel aus mit der Annahme von Tanklastzügen, dem Unterschied bei der Behandlung von Tank und Silowaren, steuerlichen Besonderheiten, oder einem teildigitalisieren Lieferprozess, bei dem gleichzeitig abgerechnet und Pfand verrechnet wird? Ist das alles Standard? Wo zieht man am besten die Grenze? Rudimentärer Ansatz wäre es sich als Hersteller auf ein Anlieferdokument zu beschränken, so wie es in der Vergangenheit war. Anspruch des Kunden ist es sicherlich, dass in seiner Branche diese Anforderung state-of-the-art ist und somit im Standard erwartbar. Wenn es state-of-the-art wäre, dann sollte ein Modellbetrieb das sicherlich hergeben – aber es ist halt eben nur eine Branche und der Standard soll für möglichst viele Branchen gelten – eine Zwickmühle, die nur Implementierungspartner des Softwareherstellers lösen können.
Die Implementierungspartner müssen daher auch in der Zukunft diese Lücken füllen und sich entweder generisch mit einzelnen Teilen beschäftigen, oder sich auf bestimmte Prozesse bzw. Branchen fokussieren. Diese Dreidimensionalität ist von den aktuellen Partnern nur dann leistbar, wenn sie ihren Antritt am Markt verändern. Ich sage also voraus, dass es Anbieter geben wird, die sich an der Dreidimensionalität versuchen werden, um genau diesen Kundenbedarf zu decken. Wenn das einer gut macht, dann hat dieser Anbieter eine starke Macht im Markt.