Nachdem ich mich in meinem letzten Blog-Beitrag mit den Vorteilen durchgängiger IT-Lösungen (Link) beschäftigt habe, möchte ich heute die Historie und die aktuelle Situation betrachten. Die erfolgt mit einem speziellen Augenmerk auf produzierende Betriebe.
Historisch betrachtet ist es so, dass mit zunehmender Automatisierung der Produktion in vielen Unternehmen Ende des 20. Jahrhunderts bzw. Anfang des 21. Jahrhunderts parallel zu den Warenwirtschaftssystemen und den Office-Systemen eine weitere Systemlandschaft entstanden ist, nämlich die der Produktionssysteme. Hier sind neben SCADA-Systemen (Supervisory Control and Data Acquisition, also Überwachung, Steuerung und Datenerfassung) auch Prozessleitsysteme (PLS) zu nennen.
Oft wurden diese Systeme zusammen mit Investitions-Vorhaben (z.B. neue Produktionsanlagen) angeschafft, oder aus den jeweiligen Produktionsbereichen heraus mit einem klaren funktionalen Fokus ausgewählt. Diese Systeme halfen sehr erfolgreich den Automatisierungsgrad zu erhöhen, die Produktion verlässlicher, stabiler und qualitativ hochwertiger zu gestalten. Auch legten sie die Grundlage für mehr Transparenz und somit auch zur Optimierung der Anlagen und Fertigungsprozesse. Aber es entstanden auf diese Art und Weise viele Insellösungen in den Betrieben. Diese fragmentierte Systemlandschaft wird häufig noch durch weitere Softwarelösungen für z.B. Supportprozesse wie Wartung und Instandhaltung und auch Qualitätsmanagement erweitert. Schnittstellen zwischen den einzelnen Software-Produkten waren selten und wenn vorhanden, dann sind sie individuell entwickelt und fehleranfällig. Übergreifende Daten wurden in der Regel manuell erfasst und weiterverarbeitet. Excel-Tabellenblätter wurden in den produzierenden Betrieben für viele übergreifende Tätigkeiten von der Produktionsplanung bis zum Berichtswesen genutzt. Die übergeordnete ERP-Landschaft war in der Regel komplett entkoppelt. Aufträge wurden manuell in die Produktion gegeben, als Ausdrucke oder Excel-Exporte. Produktionsrückmeldungen wurden bestenfalls basierend auf Schicht- oder Produktionsberichten oder manuell aus den Produktionssystemen in die Warenwirtschaft eingepflegt, häufig erst am nächsten Werktag.
Eine bessere Grundlage für die Integration von Unternehmens- und Betriebsebene wurde mit der ANSI/ISA-95 geschaffen, einer Norm, die auf der ISA-88 beruht. Mittlerweile ist die aktuell gültige Norm die IEC 62264. Diese Normenreihe entstand im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts und definierte einen Standard, der von den benötigten Modellen und Terminologien über die relevanten Attribute auch die Aktivitäten für das operative Produktionsmanagement und die notwendigen Transaktionen zwischen Geschäftsabläufen und Produktionssteuerung definierte und beschrieb. Als Schnittstelle wurde auf Basis der ISA-95/IEC 62264 der B2MML-Standard implementiert. Er besteht aus einer Sammlung an XML-Schemata, die die in der Norm beschriebenen Transaktionen abbilden können.
Auf dieser Basis wurden im vergangenen zweiten Jahrzehnt viele Systeme implementiert. Was blieb waren die Insellösungen aus den verschiedensten Software-Produkten. Allerdings konnten diese Inseln über die standardisierten Aktivitäten und Transaktionen nun verbunden werden, auch und gerade von der Produktions- in die Unternehmensebene.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Stand heute in vielen produzierenden Betrieben immer noch Insellösungen dominieren. System- und Medienbrüche konnten nur zum Teil geschlossen werden und bedeuten für Anlagenbediener, Systemadministratoren und das Management eine entsprechende Belastung.